|
Fiktionalisierungen
von Geschichte
Kriminalpolizeiliche und geschichtspolitische Wahrnehmungen
des angeblichen Massenmörders Bruno Lüdke, 1924 bis 2008
Seminar am Historischen Institut der Uni Jena, Sommersemester
2008
Über 50 Frauenmorde hat der Hilfsarbeiter Bruno Lüdke 1943 gegenüber
der Kriminalpolizei gestanden, seine ersten Taten sollen bis in die Zeit
der Weimarer Republik zurückreichen. Dieser im Nationalsozialismus
verschwiegene Fall eines Massenmörders hat erst nach dem Krieg in
der Bundesrepublik und DDR durch widersprüchliche Darstellungen öffentliches
Aufsehen erregt. Mit diesem Beispiel lassen sich Prozesse der Fiktionalisierung
von Geschichte und deren geschichtspolitische Dimensionen von der Weimarer
Republik bis in die Gegenwart gut untersuchen: angefangen mit der Verhörpraxis
der Kriminalpolizei im NS und deren Wahrnehmung durch die west- und ostdeutsche
Polizei, über Zeitzeugen- und Tatsachenberichte in Nachrichtenmagazinen
und Illustrierten der 1950er Jahren bis hin zu Spielfilm, Hörspiel
und Dokumentarfilm.
In der Übung erarbeiten wir Schritt für Schritt die historischen
Kontexte und untersuchen die Funktionen von Archivdokumenten, Bildern
und Zeitzeugenberichten für die öffentlichen Auseinandersetzungen.
Wie lassen sich solche Medien- und Kunstprodukte, in denen Geschichte
durch Fiktion abhanden kommt und als Projektion wiederkehrt, kritisch
lesen und betrachten? Welche Authentizitätsstrategien und geschichtspolitischen
Motive sind wirksam? Nicht zuletzt: Was war der Fall? Welche Interpretationen
lassen die überlieferten Dokumente tatsächlich zu? Welche Fragen
an das jeweilige Quellenmaterial sind sinnvoll? |

|