Unter Beobachtung
Vom merkwürdigen Auftauchen und Verschwinden eines Containers

Fotografie: Axel Dossmann, Dietmar Bastian

Der weiße Polizei-Container steht im Parkbereich der Löhrstraße. Mit seinen zwei großen Fenstern an der Breitseite ist er genau so postiert, dass man aus seinem Inneren den besten Überblick zur Kontrolle der Keilstraße hat. Die Balken, auf denen der Blechkasten ruht, sind bereits einige Millimeter tief in den Asphalt gesackt. Am Holz wächst Moos und Unkraut.
Eine ständige Polizeipräsenz gibt es in der Löhrstraße seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Anfangs stellt die Polizei einen Kleinbus bereit, damit sich die Beamten, die als Doppelposten arbeiten, während ihres Wachdienstes hin und wieder setzen, etwas essen oder einen Kaffee trinken können. Einige Zeit später wird der Bus durch einen Container ersetzt. „Das bietet sich an, denn der ist transportabel“, begründet die Sprecherin der Leipziger Polizeidirektion die Entscheidung. Ihre Container mietet die Polizei von der Dresdner Firma Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), einem Unternehmen des Freistaates Sachsen. Wie lange der Polizeischutz samt Container in der Löhrstraße verbleibt, darf aus sicherheitspolizeilichen Gründen nicht mitgeteilt werden.

Über die Gründe der Polizeipräsenz lässt sich Unterschiedliches in Erfahrung bringen: Ein befragter Polizist zeigt seitlich auf den in Sichtweite befindlichen Sitz der Israelitischen Religionsgemeinde und des Sächsischen Rabbinats in der Löhrstraße und dann auf den fünfzig Meter entfernten Eingang der Synagoge in der Keilstraße. „Juden, Amerikaner und Polen“ seien seit den Anschlägen vom 11. September 2001 besonders gefährdet, darum sei er hier zum Wachdienst eingesetzt. Zum Glück werde er nach einem Monat abgelöst, denn viel verhindern ließe sich im Erstfall ja nicht, schließlich könne man nicht alle Passanten kontrollieren. Bislang sei hier nie etwas passiert. Die Polizeipräsenz diene wohl mehr zur Abschreckung räumt der Polizist ein.

Im Falle der Wachposten in der Löhrstraße habe die jüdische Gemeinde „nur Glück gehabt“, heißt es auf offizielle Nachfrage bei der Polizeidirektion, „ein Bedarf bestand dort nicht“. Der Polizeischutz ist Teil des nach den Terror-Anschlägen in den USA durch die Bundesregierung generell verstärkten Schutzes amerikanischer Liegenschaften und Residenzen auf deutschem Territorium. Welche amerikanischen Bürger in der Löhrstraße geschützt werden sollen, verrät die Polizei nicht. Mitarbeiter der jüdischen Gemeinde haben um keinen Polizeischutz gebeten, betonen aber, dass sie gegen die permanente Anwesenheit der Polizisten im Viertel nichts einzuwenden haben.

Ob aus dem Container eine Dauerlösung wird, hängt von der polizeilichen Einschätzung der aktuellen Sicherheitslage ab. Ein Ersatz durch eine feste Behausung bleibt dennoch unwahrscheinlich. Signalisiert der Mietcontainer doch zweierlei: eine Lösung auf begrenzte Zeit und einen akuten Gefahrenzustand. Wo der Grund der Polizeipräsenz unklar bleibt, wird vor allem eine atmosphärische Wirkung erreicht. Ein Gefühl der Gefahr wird erzeugt, vor dem erst die Verteidigungsbereitschaft des Staates demonstriert werden kann. Je diffuser die Bedrohung, so scheint es, desto einfacher die öffentliche Legitimation. Die Nutzung von Containern durch die Polizei zeigt wirtschaftliches Denken und strategische Flexibilität. Selbst wenn Bürger und offenbar auch Sicherheitskräfte über die eigentliche Adresse der Überwachung im Unklaren belassen werden.

Quellen:
Telefonat mit der Israelitischen Religionsgemeinde, 26.7.2005
Auskünfte von Birgit Schlegel, Pressesprecherin der Polizeidirektion Leipzig, 1.8. und 5.10.2005
Vor-Ort-Gespräch mit einem Polizisten, 9.8.2005

Aus: Axel Doßmann, Jan Wenzel, Kai Wenzel: Architektur auf Zeit. Baracken, Pavillons, Container, Berlin (b_books) 2006, S. 244-245.